Konsultationen in Bundesministerien – Rolle, Wirkung und Eigenschaften der Interessen im Vergleich.

Das Projekt analysiert Konsultationen der Bundesministerien.

Konsultationen sind ein gängiges und häufig genutztes Verfahren im Gesetzgebungsprozess, aber im deutschen Kontext leider noch wenig erforscht (Herzmann, 2010; Fink & Ruffing, 2015; Döhler, 2020). Insbesondere Ministerialverwaltungen fragen bei (spezifischen) Politikvorschlägen nach der Expertise und Einschätzung gesellschaftlicher Akteure.

In Deutschland regelt die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) in §47 das genaue Verfahren zur Konsultation gesellschaftlicher Akteure. Neben Akteuren wie den kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretern der Länder sind gesellschaftliche Akteure in Form von Spitzen- oder Dachverbänden und anderen organisierten Formen der Interessenvermittlung beteiligt. Zeitpunkt, Umfang und Auswahl der Stakeholder einer Konsultation werden vom federführenden Bundesministerium getroffen.

Konsultationen sind ein Problemlösungsmuster und die Verbindung zwischen Akteuren und Politik-Inhalte. Denn wenn politische und/oder bürokratische Akteure Informationen zu bestimmten Policies benötigen, die sie selbst nicht generieren können, greifen sie auf externe Akteure zurück. Dies geschieht in verschiedenen Formaten, wie Expertenkommissionen, Sachverständigenräte, oder bezogen auf spezifische Policy-Vorschläge, oft durch Konsultationen. Dabei etablieren sich Netzwerke, definiert als Geflecht von Beziehungen zwischen individuellen und kollektiven Akteuren (Schmidt, 2004, 481): insbesondere ministerielle Fachabteilungen wissen, auf welche Akteure sie zurückgreifen können, um Informationen zu beziehen: „In der Regel werden die Netzwerkbeziehungen als informelle Institutionen interpretiert, die dauerhafte Austauschbeziehungen in Form von Experteninformationen, politischer Unterstützung oder anderer politischer Einflussressourcen gegen politische Kontrolle zwischen privaten Interessengruppen und staatlichen Akteuren ermöglichen“(Henning & Wald, 2000, 648).

Dabei muss beachtet werden, dass im gesamten Gesetzgebungsprozess Konsultationen nur ein Puzzleteil von vielen sind. Neben vielen anderen Strategien der Interessenvertretung, auch gegenüber Ministerien, sind die Stellungnahmen der externen Akteure in den Konsultationen eben nur ein Instrument der gesellschaftlichen Akteure, entweder auf die Anfrage des federführenden Ministeriums zu reagieren oder sich eigenständig in genau dieser Phase einzubringen. Konsultationen können der Kategorie des „inside lobbying“ zugeordnet werden, neben der Teilnahme an Kommissionen, Beratungsgremien oder ähnlichen Foren mit direktem Kontakt zur Arbeitsebene der Ministerien (Eising, et al., 2017; De Bruycker & Beyers, 2019). Konsultationen sind jedoch in ihrer Wirkung auf den Gesetzgebungsprozess nicht zu unterschätzen. Studien zur Analyse legislativer Änderungen und zum Einfluss von Interessengruppen zeigen immer wieder auf, dass der Effekt und die Möglichkeit, das entstehende Gesetz zu verändern, umso größer sind, je früher Interessengruppen intervenieren (Dür, Bernhagen & Marshall, 2015; Cross & Hermansson, 2017; Rasch, 2018; Cross, Eising, Hermansson & Spohr, 2019).

Ebenso betont die Forschung zur Interessenvertretung gegenüber Ministerien, die auch im Kontext der Politikberatungsforschung erfolgen (Thunert, 2004; Baruth & Schnapp, 2015), die Rolle der Ministerialverwaltung des Bundes als ein geläufiger Adressat von Interessenvertretung beziehungsweise als eigenständiger Akteur, der die Expertise und Einschätzung gesellschaftlicher Akteure anfragt. Seit der Legislaturperiode des neunzehnten Bundestages (Beginn 2017) müssen die Bundesministerien ihre nach Paragraf 47 GGO durchgeführten Konsultationen veröffentlichen. Dies ist im Kontext einer unter Kanzlerin Angela Merkel einführten Transparenzinitiative zu betrachten, die auch durch europäische Transparenzrufe inspiriert wurde und ebenso die Legislative, also das Transparenzregister des Bundestages, betrifft. Damit ergeben sich aber eben auch für die Politikwissenschaft neue, bisher ungenutzte, Möglichkeiten, Daten zur Einbindung gesellschaftlicher Akteure zu erforschen. So zeigen die Vergleiche zwischen der Exekutive und Legislative in Deutschland, dass es sowohl Unterschiede in der Vertretung der Interessen gegenüber diesen Institutionen gibt, als auch, dass es eine wertvolle Datenquelle zur Analyse demokratischer Repräsentation ist (Rasch, Spohr, Eising & Ress, 2020). Erste Analysen zu den Bundesministerien deuten auf einen starken Zusammenhang zwischen den Inhalten der Gesetze (Policies) und den im Prozess involvierten Akteuren (Rasch, 2022b).

Das Projekt ist eingebunden in eine kumulative Habilitation. Ziel dieser ist es, eine Forschungslücke zu füllen, denn die Interessenvertretung gegenüber Ministerien ist bis heute untererforscht. Viel mehr Aufmerksamkeit, auch in der öffentlichen Diskussion um die Regulierung, erfährt der Bundestag (Eising & Spohr, 2017; Rasch, Spohr, Eising & Ress, 2020). Dabei entstehen die meisten Entwürfe in den Ministerien, weshalb die ministeriellen Konsultationen ebenso wichtige Zugangsmöglichkeiten darstellen. Dabei werden zum einen Entscheidungsträgern nötige Informationen zur fachlichen Diskussion aber auch zur politischen Unterstützung übermittelt, auf der anderen Seite aber gesellschaftlichen Akteuren die Möglichkeit gegeben, ihren Standpunkt zu einem konkreten Gesetzesvorschlag vorzubringen, um gegebenenfalls auch Einfluss darauf auszuüben.